Freitag, 28. August 2009

Kunst- und Landschaftsarchitekturwettbewerb Bundesarchiv

Park des Archivars



Ausstellung: Kai Schiemenz und atelier le balto

3.Preis 7. Juli 2009 – 18:00
7. Juli 2009: Eröffnung der Ausstellung über das Wettbewerbergebnis

Ort: Cranzbau, Fasanenstraße 87, 10623 Berlin

Dauer der Ausstellung: 7.07.09 bis 17.07.09


Im Rahmen des interdisziplinären Realisierungswettbewerbs für Künstler undLandschaftsarchitekten für das BUNDESARCHIV in Berlin1. Phase: Freitag, 16.01.20092. Phase: Mittwoch, 29.04.2009


picture: 3D: Laurent Dugua und grafic: Chloé Sanson



PARK DES ARCHIVARS
Aus der Zusammenarbeit für das Bundesarchiv in Berlin ergab sich eine Situation, die zu einer Kollaboration führte. Wir verstehen Kollaboration, als ein offenes Konzept, als eine Kooperation, als einen über die Grenzen hinaus sich befruchtenden Austausch, der über bloße Beteiligung hinausgeht, in dem sich die Arbeitsmethoden der einzelnen Bereiche verschränken.In dieser Weise gibt es in unserem Wettbewerbsbeitrag für das Bundesarchiv keine eindeutige Zuordnung der künstlerischen und landschaftsarchitektonisch / gärtnerischen Arbeit. Vielmehr entstand eine Co-Autorenschaft.


Unsere AusgangspunkteWelches sind die jeweils kulturellen Werte, die Eingang in eine Sammlung finden, und was wird als wertlos im „profanen Raum außerhalb des Archivs“ Boris Groys verbleiben? Das Archiv verhandelt demzufolge Aussagen über kulturelle Relevanz und ist eher eine Praxis als ein Gebäude.

Der Vorplatzbereich:

Die Große Bank versteht sich als eine gärtnerische Einführung der Idee des Innenhofes, ein Ort des Wartens und Sammelns, der Vorbereitung. Eine große Bank (5m x 5m) wird um die Platane gebaut, die einen Ort des Verweilens auf dem Vorplatz schafft. Einen Punkt des Zusammenkommens und sozialen Miteinanders.

Der Innenhof„Ein öffentlicher Raum entsteht in der Begegnung der erzählten Geschichte mit dem Reichtum an Erfahrung.“ Alexander KlugeMit der Gestaltung des Innenhofes des Bundesarchivs soll ein öffentlicher Raum entstehen, der sich direkt auf die Fragen der Inklusion und Exklusion bezieht.
Landschaft als Struktur / Landschaft als IntervallDer Innenhof des Bundesarchiv soll aus einer quadratisch geneigten Asphaltfläche (30m x 30m) bestehen, die sich als eine Landschaft versteht. Durch diese Asphaltfläche zieht sich ein 340m langes gefaltetes Band, das so in die Bodenplatte geschnitten ist, dass der eine Teil als Graben darin verschwindet und der andere eine Einfassung bildet. Dieses Band ist ein langgestrecktes Hoch-Beet (90 cm breit), das sich in ein Tief-Beet umformt und dabei selbst nicht geneigt ist. (Siehe Modell + 3-D Modell + Schnitt B)Die Bodenplatte ist zum Foyer hin so geneigt, dass sie dem Besucher des Archivs unterschiedlichste Blickrichtungen ermöglicht und sich von verschiedensten Bereichen des Gebäudes beobachten lässt. (Siehe Modell + 3-D Modelle)

Um dem Boden halten zu können, werden die Hoch-Beete durch eine in Berlin weit verbreitete Konstruktionsweise mit Eichenbohlen und feuerverzinkten Stahlträgern gefasst. Die Tief-Beet werden mit Zement-Bohlen seitlich begrenzt. (Siehe Schnitt B + Detailzeichnung). Die geneigte Bodenplatte ist durch L-Fertigteile aus Beton von einem 3m breitem Rahmen entlang der Fassaden getrennt bzw. eingefasst.

Diese Formation dient der Entwicklung eines Parks, des Parks des Archivars, der innerhalb von 10 Jahren durch die Autoren/Entwurfsverfasser selbst realisiert und entwickelt wird. Er versteht sich als ein Raumlaboratorium des Erd-Bodens, das die Prozesse des Bodens, seiner Herstellung/Kompostierung und der lebenden Prozesse darin, darzustellen versucht. (Siehe Partituren der vier Spielzeiten)Auf diese Weise behandelt der Park des Archivars diesen Ort als ein Terrain, das sich der direkten Sichtbarkeit entzieht. (Siehe Schnitt A + Detail-Ansichten)



picture: 3D: Laurent Dugua und grafic: Chloé Sanson

Entwicklung des Parks des ArchivarsDie erste Spielzeit: Der Fond des Archivars/ bringen und kompostierenZu Beginn sind die Beete leer und trocken.Innerhalb des ersten Jahres werden sie peu à peu mit verschiedenen Böden der Stadt und der Region Berlins und mit Laub, Gras und Ästen des Areals, das das Bundesarchiv umschließ gefüllt. Die Böden werden aus ausgesuchten Grundstücken der Stadt, die sich im Augenblick im Wandel befinden (beispielsweise eine kommende Baustelle), gewonnen und zum Innenhof gebracht.Daraus entsteht innerhalb der folgenden zwei Jahre ein Kompost, in dem die sandigen und anderen Böden in unterschiedlichen Verhältnissen vermischt werden, so dass verschiedene Erdequalitäten entstehen, mal sandig/armer Boden, mal reicher Boden. Durch Samen, die bereits im Boden enthalten sind und Vogelflug wird sich in einigen Bereichen sich die Vegetation spontan entwickeln. In dieser Periode wird der Gärtner/ Autor/ Entwurfsverfasser die Kompostierung fördern und je nach Situation das Überleben der Spontanenvegetation sichern oder vermeiden. Ein bestimmter Bereich, der Tu Nichts Garten, wird vor dem menschlichen Eingriff beschützt und kann sich aus sich heraus entwickeln. (z.B. die zwei Beeten in der Mitte der Bodenplatte. (Siehe Partitur)Die ersten drei Jahren sind der Versuch den Boden zu ordnen und zu sortieren, durch ähnliche Richtlinien zu behandeln mit denen ein Archiv arbeitet, in dem es ebenso, wie ein Archiv als Speicher und Verarbeitungssystem des Sammelns und Aussonderns, des Aufbewahrens und Erhaltens, funktioniert.

Die drei folgenden Perioden, die sich wie die erste als Spielzeiten verstehen lassen, werden verschiedenen Pflanzen-Materialien gewidmet.

Die zweite Spielzeit: Die Sammlung des Archivars/ auswählen und eingraben In diese Periode werden diverse Reproduktionsteile von speziellen Züchtern und dem Botanischen Garten gesammelt, wie Samen, Sporen, Keime, Zwiebeln, Knollen und rhizomattische Gewächse. Sie werden durch den Autor ausgewählt und nach vom Autor bestimmten Kriterien eingegraben. Ein Beispiel: in den ersten 50m des 340m lang gefalteten Bandes werden Samen ausgesät, in den zweiten 50m werden nur Zwiebeln gesteckt, dann werden 50m nur Knollen gesteckt, dann Nichts (der Tu Nichts Garten) und dann werden 50m Rhizome eingebracht. (Siehe Partitur)

Die dritte Spielzeit: Die Gärten des Archivars/ sichten und ordnenIn diese Zeit wird für den Betrachter/Beobachter das gefaltete Band mehr und mehr wie eine Folge von Gärten aussehen. Diese Gärten werden durch das Mischen der Samen, Knollen und Zwiebeln mit den rhizomattischen Gewächse entstehen. Das Sichten und Ordnern des Materialien, wird nicht durch das Abbild des Parks, welches aus seiner Entwicklung hervorgeht, beeinflusst. Die Organisation und Konstitution des gefalteten Bandes passiert aus den Rhizomstrukturen, den Wurzeln, den Würmern und den Samen selbst, und aus Prinzipen, die im Dunkel des Bodens geschehen.

Die vierte Spielzeit: Der Park des Archivars/ zur weiteren EntwicklungDie aus der dritten Phase entstandene Pflanzenfläche und das Pflanzenvolumen wird sich je nach Bodenqualität, klimatischen Bedingungen und den Entscheidungen, die wir die Gärtner/Autoren treffen während ein weiteres Jahr entwickeln. Der Garten als beschützter, als „paradiesischer“ Ort, der ein Idyll verkörpert findet hier eine neue Ausprägung. Die 10 Jahre-Spiel ermöglicht es dem Garten, die Zeit zu lassen, die die Natur zum Wachsen braucht. Je länger die Spielzeit, desto rhizomattischer die Archivierung.
Dem Besucher/Betrachter wird in die gesamte Spielzeit ein Ort angeboten, der sich in einem ständigem Wandel befindet, in einem permanentem Umbruch.

Am Ende der vertieften und bereichendend Kooperation zwischenLandschaftsarchitekten und Künstler, den Gärtners/Autors, wird ein Park entstanden sein, der eine Archivierung eines lebendigen Material versucht hat.Die Anwesenheit des Gärtners/Autors spielt während der 10 Jahre eine zentrale Rolle. Nach diesem Mandat hat der Park des Archivars seine Form erhalten, dann wird er in die pflegende Hand eines Gärtner-Meisters übergeben.



picture: 3D: Laurent Dugua und grafic: Chloé Sanson

Aus dem Juryprotokoll:

PARK DES ARCHIVARS
Diese Arbeit wurde besonders intensiv und kontrovers von der Jury diskutiert. Der kooperative, prozessuale Ansatz des Entwurfes wird umfassend gewürdigt, stellt aber zugleich für den Nutzer eine Herausforderung sowohl hinsichtlich der Logistik als auch der Ästhetik des Ortes dar.Immer wieder stellt sich in der Diskussion die Frage nach der künstlerischen Form. Auch unter der Maßgabe, dass es sich um einen künstlerisch– gärtnerischen Ansatz handelt, der die Skepsis gegenüber der scheinbar genialen Setzungen eines einzelnen Autors zum Ausdruck bringt, stellt sich ohne Zweifel die Frage nach der Vermittelbarkeit und Lesbarkeit.

Die geneigte Bodenplatte benutzt das Motiv der Instabilität und Balance, die durchaus analog zur immer wieder notwendigen Neuinterpretation bestehender Fakten im Rahmen wissenschaftlichen Arbeitens im Archiv gelesen werden kann.Positiv wird der gewählte Zeithorizont gesehen, der dem Entwurfscharakter künstlerischer und wissenschaftlicher Arbeit unter dem Stichwort „das Archiv braucht den Autor“ Platz einräumt.Die Gestalt der Bodenplatte aus schwarzem Asphalt und dem mäandrierenden Band aus Beeten hat den Charakter eines abstrakten, grafischen Musters, das von der Hauptschauseite aus langsam ansteigt.Welche tatsächliche Ästhetik die Bepflanzung innerhalb der verschiedenen Spielzeiten entwickeln wird, bleibt manchem Preisrichter zu offen.Das Projekt fordert den Auftraggeber gewissermaßen heraus, sich auf einen zeitbasierten, prozessualen und sozialen Ansatz einzulassen und erweitert so den Ansatz einer „Kunst am Bau“ zu einer „Kunst mit dem Ort“.

links: http://europaconcorsi.com/projects/100044-Kunst-und-Landschaftsarchitekturwettbewerb-Bundesarchiv

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